Internationale YouGov-Daten zum Thema Migration (Dezember 2025)
In den letzten Jahren ist Migration in Europa zu einem zentralen Thema geworden. Während des Wahlkampfs zur Bundestagswahl 2025 in Deutschland stand das Thema „Einwanderung und Asylpolitik” ganz oben auf der Liste derjenigen Themen, um die sich die Politik laut Wählerinnen und Wählern am dringendsten kümmern sollte. Und die gemeinsame Abstimmung von CDU/CSU mit der AfD im Bundestag Ende Januar 2025 war der entscheidende Moment im Bundestagswahlkampf. In Großbritannien steht Zuwanderung ebenfalls regelmäßig an der Spitze der wichtigsten Themen. Der Niedergang der Konservativen Partei und der Aufstieg von Reform UK ist zumindest in Teilen darauf zurückzuführen, dass die Tories es versäumt haben, das Thema während ihrer Regierungszeit anzugehen.
Wie stehen also Bürgerinnen und Bürger in Europa zu diesem Thema?
Eine neue europäische YouGov-Umfrage, die im November in Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Dänemark, Polen und Großbritannien durchgeführt wurde, zeigt, dass viele Bürgerinnen und Bürger skeptisch gegenüber Zuwanderung geworden sind.
Eine kürzlich durchgeführte YouGov-Befragung in Großbritannien zeigte allerdings, dass diese Einstellungen möglicherweise auch dadurch beeinflusst werden, dass das Maß irregulärer Zuwanderung unterschätzt wird. Zeigt sich der gleiche Trend auch in anderen europäischen Ländern?
Viele Europäerinnen und Europäer glauben, dass sich die meisten Zuwanderer illegal in ihrem Land aufhalten
In den großen westeuropäischen Ländern, die Teil der Umfrage waren, gibt es eine Tendenz dazu, dass Bürgerinnen und Bürger glauben, es gäbe mehr irreguläre als reguläre Zuwanderung. In Deutschland glauben 44 Prozent, dass es mehr irreguläre als reguläre Zuwanderung gibt, in Italien glauben dies 60 Prozent.
In Polen – dem einzigen osteuropäischen Land, das in die Umfrage einbezogen wurde – ist die Öffentlichkeit deutlich stärker gespalten: 36 Prozent glauben, dass es in Polen mehr irreguläre als reguläre Zuwanderung gibt, während 28 Prozent das Gegenteil denken. 22 Prozent schätzen, dass sich irreguläre und reguläre Zuwanderung die Waage halten.
Viele Europäerinnen und Europäer teilen also die Einschätzung, dass sich in ihrem Land mehr Zuwanderinnen und Zuwanderer, die irregulär statt regulär in ihr Land gekommen sind, befinden. Dies ist allerdings nicht von der Realität gedeckt: In jedem der betrachteten Länder liegt die Zahl der Zuwanderinnen und Zuwanderer, die irregulär ins Land gekommen sind, unter der Zahl derer, die regulär ins Land gekommen sind. Beispielsweise veröffentlichte der französische Innenminister Laurent Nunez kürzlich Regierungsschätzungen, nach denen sich rund 700.000 Zuwanderinnen und Zuwanderer irregulär in Frankreich aufhalten. Diese Zahl ist deutlich geringer als die der neun Millionen im Ausland geborenen Menschen, die regulär in Frankreich ansässig sind.
Solche Wahrnehmungsverzerrungen können ein Grund dafür sein, dass öffentliche Diskurse und Narrative zum Thema Zuwanderung stark negativ und problematisierend konnotiert sind – wie es zum Beispiel in Großbritannien der Fall ist.
Europäerinnen und Europäer lehnen weitere Zuwanderung ab,
In der Umfrage wurden Bürgerinnen und Bürger nach ihrer Zustimmung zu sechs unterschiedlichen Szenarien mit Bezug auf die Frage, wie Zuwanderung in Zukunft funktionieren kann, befragt. Die Ergebnisse unserer Umfrage zeigen, dass Europäerinnen und Europäer mehr Zuwanderung überwiegend skeptisch gegenüberstehen. Eine Beibehaltung des Status Quo bei der Zuwanderung lehnen Europäerinnen und Europäer in großen Teilen ab. Die höchsten Zustimmungswerte zeigen sich für Szenarien, die den Stopp oder eine drastische Reduzierung von Zuwanderung beinhalten.
Tatsächlich sagt in jedem befragten Land jeweils etwa die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger (45 bis 53 Prozent), dass sie ein Szenario unterstützen, in dem nicht nur keine neue Zuwanderung zugelassen wird, sondern auch Zuwanderinnen und Zuwanderer, die erst kürzlich ins Land gekommen sind, zum Verlassen des Landes verpflichtet oder abgeschoben werden sollen.
Was ist Europäerinnen und Europäern wichtiger – Reduzierung von Zuwanderung oder wirtschaftliche Leistungsfähigkeit?
Wenn Zuwanderung eingeschränkt würde, hätte dies Auswirkungen auf die Volkswirtschaften europäischer Länder. Viele Zuwanderinnen und Zuwanderer arbeiten in Bereichen, in denen europäische Länder vor der Herausforderung stehen, genügend Fachkräfte zu finden.
In der Befragung wurden Bürgerinnen und Bürger vor Abwägungsentscheidungen zwischen einer Reduzierung von Zuwanderung und möglichen negativen wirtschaftlichen Folgen gestellt.
In allen Ländern und in fast allen Entscheidungsbereichen, zu denen wir gefragt haben, neigen Europäerinnen und Europäer dazu, wirtschaftliche Nachteile vermeiden zu wollen und sind dann auch bereit, Zuwanderung zu akzeptieren.
Die personelle Ausstattung der Gesundheitssysteme ist in allen Ländern für Europäerinnen und Europäer eines der überzeugendsten Szenarien, das für Zuwanderung spricht. Tatsächlich scheint die Sicherung der Gesundheitsversorgung das überzeugendste Argument gegen eine Reduzierung (regulärer) Zuwanderung in der Gruppe von Bürgerinnen und Bürger zu sein, die eine große Zahl von Zuwanderinnen und Zuwanderer abschieben möchten. Dies ist die einzige Abwägungsentscheidung, bei der sich diese Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern gegen weniger Zuwanderung entscheiden.
Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass wirtschaftliche Argumente wie die Bekämpfung des Fachkräftemangels und die Attraktivität für Talente die im Vergleich überzeugendsten Argumente gegen eine Reduzierung von Zuwanderung sind. Im Gegensatz dazu ist die generelle Erhöhung der Zahl von Menschen im Land, die Steuern zahlen, das am wenigsten überzeugende Argumente für Zuwanderung. Internationale humanitäre Verpflichtungen und die allgemeine Verbesserung der Wirtschaftslage sind ebenfalls weniger dazu geeignet, Bürgerinnen und Bürger vom Nutzen von Zuwanderung zu überzeugen.
Europäerinnen und Europäer sind sich nicht einig, ob reguläre Zuwanderung gut für ihr Land war
Europäerinnen und Europäer neigen dazu zu denken, dass es mehr irreguläre als reguläre Zuwanderung in ihr Land gibt, und zwar im Gegensatz zu Schätzungen der tatsächlichen Zahlen. Dies ist relevant, weil Menschen viel negativere Meinungen über irreguläre Zuwanderinnen und Zuwanderer und deren Beitrag zur Gesellschaft haben als über Zuwanderinnen und Zuwanderer, die auf regulärem Weg ins Land gekommen sind.
In allen Ländern glaubt die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger (56 bis 75 Prozent), dass irreguläre Zuwanderung überwiegend schlecht für ihr Land war. Hinsichtlich regulärer Zuwanderung ist das Stimmungsbild dagegen gemischter.
Am positivsten in der Bewertung von regulärer Zuwanderung sind Bürgerinnen und Bürger in Spanien. Dort finden 42 Prozent, dass reguläre Zuwanderung überwiegend gut für Spanien war. 22 Prozent denken, dass sie überwiegend schlecht war, und 26 Prozent finden, dass die Bilanz gemischt ist.
Ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger in Frankreich und Deutschland glaubt, dass reguläre Zuwanderung überwiegend schlecht für Frankreich bzw. Deutschland war (38 39 Prozent). Im Vergleich dazu sagen zwischen 22 und 24 Prozent, dass legale Zuwanderung gut für ihr Land war.
Obwohl die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass das Stimmungsbild gegenüber regulärer Zuwanderung positiver ist, denken viele Europäerinnen und Europäer immer noch, dass die reguläre Zuwanderung in ihren Ländern zu hoch war.
In allen Ländern sieht die Mehrheit das Niveau der irregulären Zuwanderung als zu hoch an (68 81 Prozent). Einstellungen regulärer Zuwanderung sind dagegen gemischter: Eine Mehrheit der Menschen in Frankreich (52 Prozent) und Deutschland (57 Prozent) glaubt, dass die reguläre Zuwanderung zu hoch war., Das gilt auch für Bürgerinnen und Bürger in Polen und Großbritannien (jeweils 48 Prozent). Das Stimmungsbild in Spanien und Italien ist differenzierter: In Spanien sagen 42 Prozent, dass reguläre Zuwanderung zu hoch war, während 36 Prozent das Niveau als ungefähr richtig einschätzen. In Italien halten 34 Prozent das Niveau regulärer Zuwanderung für zu hoch, während 30 Prozent glauben, dass das Niveau ungefähr richtig ist.
Europäerinnen und Europäer glauben von Zugewanderten, dass sie ihre Werte nicht teilen
Während die Ergebnisse zeigen, dass die Einstellungen von Europäerinnen und Europäern gegenüber Zuwanderung möglicherweise durch die Überschätzung von irregulärer Zuwanderung beeinflusst werden, scheinen auch Fragen von Kultur und Werte eine Rolle zu spielen.
Viele Europäerinnen und Europäer denken, dass Zugewanderte nicht die gleichen Werte wie die einheimische Bevölkerung teilen und sich nicht erfolgreich integrieren – und zwar sowohl Menschen, die regulär zugewandert sind wie auch Menschen, die irregulär ins Land gekommen sind.
Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Frankreich, Italien und Deutschland (53 bis 57 Prozent) ist der Meinung, dass regulär Zugewanderte nicht die gleichen Werte wie sie teilen. In Polen sind 47 Prozent dieser Meinung (weit mehr als die 25 Prozent, die diese Meinung nicht teilen). Spanien ist stärker gespalten: 43 Prozent glauben, dass die meisten regulär Zugewanderten nicht die gleichen Werte teilen, 38 Prozent sind der Meinung, dass dies der Fall ist.
Bürgerinnen und Bürger in Frankreich, Italien und Deutschland sind eher der Meinung, dass die Integration von regulär Zugewanderten nicht erfolgreich ist (49 bis 57 Prozent), als jener Meinung, dass erfolgreiche Integration stattfindet (30 bis 38 Prozent). Bürgerinnen und Bürger in Polen und Großbritannien sind gespalten, während Bürgerinnen und Bürger in Spanien eher glauben, dass Integration erfolgreich ist (48 zu 42 Prozent).
Auch diese Ergebnisse zeigen, dass sich Einstellungen zu regulärer und irregulärer Zuwanderung deutlich unterscheiden. Allerdings bedeutet dies nicht, dass Zuwanderung als Thema von der öffentlichen, medialen und politischen Agenda verschwinden würde, wenn Europäerinnen und Europäer nur über die tatsächlichen Größen Bescheid wüssten.
Die Bedenken, die viele Menschen haben, gehen über wirtschaftliche Aspekte von Zuwanderung hinaus. Wer dieses Thema angehen möchte, muss sich mit tiefersitzenden Ängsten mit Bezug zu Identität, Integration und der wahrgenommenen Erosion gemeinsamer gesellschaftlicher Werte auseinandersetzen.
Zur Methode:
Die Ergebnisse basieren auf Online-Interviews mit Mitgliedern des YouGov Panels, die der Teilnahme vorab zugestimmt haben. Die Daten stammen aus zwei Befragungen: Für die erste Befragung wurden im Zeitraum 11.-24.11.2025 insgesamt 2.584 Personen in Deutschland, 1.043 Personen in Frankreich, 1.019 Personen in Dänemark, 1.082 Personen in Italien und 1.061 Personen in Spanien befragt. Für die zweite Befragung wurden im Zeitraum 7.-18.11.2025 insgesamt 1.122 Personen in Deutschland, 1.014 Personen in Frankreich, 1.033 Personen in Italien, 1.071 Personen in Spanien und 1.013 Personen in Polen befragt. Die Daten aus Großbritannien stammen aus einer Studie, die vom 20.05.-16.06.2025 erhoben wurde.
Die Stichproben wurden nach Alter, Geschlecht, Bildung, Region, Wahlverhalten und politischem Interesse quotiert und die Ergebnisse anschließend entsprechend gewichtet. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die die jeweiligen Wohnbevölkerungen ab 18 Jahren.
Foto: Julian Stratenschulte/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

